494234-FS2025-0-Vertiefungskurs/Aufbaukurs LWII/Komparatistik: Forgotten Postcolonialism





Root number 494234
Semester FS2025
Type of course Course
Allocation to subject German Language and Literature
Type of exam Seminar paper
Title Vertiefungskurs/Aufbaukurs LWII/Komparatistik: Forgotten Postcolonialism
Description Postkolonialismus ist in Mode – und umstritten. Seit Edward Saids »Orientalism« (1978) bestimmen Beiträge von Elite-Hochschulen in den USA seinen Diskurs. Dabei wird oft vergessen, daß lange vorher, vor allem in Lateinamerika, dessen Länder seit Beginn des 19. Jahrhunderts die Unabhängigkeit erlangt hatten, entsprechende Fragen diskutiert wurden. Wer sind wir? Wie verhalten wir uns zum kolonialen Erbe? Wie können wir unsere Kultur entkolonisieren und eine unabhängige Identität ausbilden? Welche psychischen Folgen hat die Kolonisierung? Und wie können wir sie überwinden? Wie überdauern koloniale Formen der Hegemonie und des Denkens den historischen Kolonialismus?
Der Argentinier Domingo Faustino Sarmiento betrachtete in »Facundo« (1845) die Zerrissenheit seiner jungen Nation zwischen der Ausrichtung auf europäische »Zivilisation« und der Faszination gauchesker »Barbarei«. Der Mexikaner Octavio Paz analysierte in »El laberinto de la soledad« (1950) die kulturpsychologischen Nachwirkungen des Kolonialismus als Dialektik von Selbstsuche und Selbstverleugnung. Der Kubaner Alejo Carpentier erklärte die »Wunderbare Wirklichkeit« (1949) zum poetischen Prinzip einer außereuropäischen Schreibweise. Als erste postkoloniale Theorie der deutschen Literatur begründete Alexander von Humboldt den Zusammenhang von Kolonialismus und Kultur, indem er in »Geschichte der physischen Weltanschauung« (1847) die Geschichte der Wissenschaften mit jener der Eroberungen engführte. Auch der afroamerikanische Intellektuelle W. E. B. Du Bois ist neu zu entdecken, der in »The Souls of Black Folk« (1903) das Konzept des »doppelten Bewußtseins« entwickelte und in seinen Schriften zum Antisemitismus feststellte, daß die Opfer eines imperialen Rassismus auch weiß sein können. Seine postkoloniale Psychologie hat der franko-karibische Psychiater Frantz Fanon in »Peau noire, masques blancs« (1952) fortgesetzt.
Wir diskutieren historische Primärtexte und ziehen neuere Forschung hinzu, etwa von Tzvetan Todorov über Zeugnisse der Conquista oder von Benedict Anderson zur Entstehung des Nationalismus nach der Unabhängigkeit.
(Die Texte können im englischen, spanischen und französischen Original oder in deutscher Übersetzung gelesen werden. Spanischkenntnisse werden nicht vorausgesetzt.)

Literatur:
– Domingo Faustino Sarmiento, Facundo o Civilización y Barbarie en las pampas argentinas (1845; dt. Barbarei und Zivilisation. Das Leben des Facundo Quiroga).
– Alexander von Humboldt, Geschichte der physischen Weltanschauung (1847; Kosmos, Band 2).
– W. E. B. Du Bois, The Souls of Black Folk (1903; dt. Die Seelen der Schwarzen).
– Alejo Carpentier, El reino de este mundo (1949; dt. Das Reich von dieser Welt).
– Octavio Paz, El laberinto de la soledad (1950, dt. Das Labyrinth der Einsamkeit).
– Frantz Fanon, Peau noire, masques blancs (1952; dt. Schwarze Haut, weiße Masken).
– Eduardo Galeano, Las venas abiertas de América Latina (1971; Die offenen Adern Lateinamerikas).

Forschung:
– Tzvetan Todorov, La conquête de l’Amérique. La question de l’autre (1982; Die Eroberung Amerikas. Das Problem des Anderen).
– Benedict Anderson, Imagined Communities (1983; dt. Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts).
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Lecturers Prof. Dr. Oliver LubrichInstitut für Germanistik - Neuere deutsche Literaturwissenschaft (Prof.Lubrich) 
ECTS 0
Recognition as optional course possible Yes
Grading 1 to 6
 
Dates Tuesday 14:15-16:00 Weekly
 
Rooms Seminarraum F -121, Hörraumgebäude Unitobler
 
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