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Im Hauptseminar soll unterschiedlichsten Geschichten von Materialitäten vor dem Hintergrund ihrer globalen Verschränkung nachgegangen werden. Vom mythisch aufgeladenen Lehmklumpen bis zum Plastik als «Kunststoff» der Moderne, vom Versprechen der Innovation bis zum Trauma der Umweltverschmutzung, vom Rohstoff zum Werkstoff und vice versa.
Materialität avancierte ab den 1990er-Jahren zu einem Leitbegriff einer progressiven Kunstgeschichte der Moderne (Wagner). Zeitgleich wenden sich Vertreter:innen des new materialism gegen die Vorstellung von Material als einem passiven und statischen Werkstoff. Ansätze für eine «agentielle» Materialität (Barad) werden erarbeitet, darunter fallen etwa organische, kohabitative, liquide Formen von prozessualen Materialitäten. Kunstwerke der Moderne seit den 1960er-Jahren scheinen hieran besonders anschlussfähig, denkt man an Lucy L. Lippards einflussreiches Stichwort der «Dematerialisierung». Doch rücken derzeit die machtpolitischen Feinstofflichkeiten von Material ins Zentrum. Zur Diskussion steht Material in dessen biopolitischen, queeren, technologischen, institutionellen und (post)kolonialen Gemengen. Wie schreiben wir eine Geschichte der Fotografie und der digitalen Künste im Wissen um den Extraktivismus von Rohstoffen? Wie geht das Museum mit den konservatorischen und institutionellen Herausforderungen von organischen Materialien um, etwa Pflanzen und Pilzen?
Das Hauptseminar wird zweisprachig abgehalten (Deutsch/Englisch). Die aktive Beteiligung sowie die Übernahme eines Referatsthemas sind Voraussetzungen für die Teilnahme am Hauptseminar. Sie dürfen an maximal zwei Sitzungen fehlen.
Literatur:
• Barad, Karen. «Agential Realism: How Material-Discursive Practices Matter» In: dies., Meeting the Universe Halfway: Quantum Physics and the Entanglement of Matter and Meaning, Durham 2007, 132-185.
• Barad, Karen. «Trans-Materialities: Trans*/Matter/Realities and Queer Political Imaginings» In: GLQ: A Journal of Lesbian and Gay Studies 21, 2015, 2-3, 387-422.
• Bennett, Jane. Vibrant Matter: A Political Ecology of Things. Durham 2010.
• Lange-Berndt, Petra. «How to Be Complicit with Materials» In: dies. (Hg.) Materiality: Documents of Contemporary Art, Cambridge 2015, 12-23.
• Lehmann, Ann-Sophie. «The Matter of the Medium: Some Tools for an Art-Theoretical Interpretation of Materials» In: Anderson, Christy, Dunlop, Anne, Smith, Pamela. (Hg.) The Matter of Art: Materials, Practices, Cultural Logic, c. 1250-1750, Manchester 2015, 21-41.
• Levin, Boaz, Ruelfs, Esther, Beyerle, Tulga. (Hg.) Mining Photography: Der ökologische Fussabdruck der Bildproduktion. Ausst.-Kat. Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg, 15.7.- 31.10.2022, et al., Leipzig 2022.
• Lippard, Lucy L. Six Years: The Dematerialization of the Art Object from 1966 to 1972. Berkeley 1973.
• Parikka, Jussi. A Geology of Media. Minneapolis/London 2015.
• Pfeffer, Susanne. (Hg.) Speculations on Anonymous Materials. Nature After Nature. Inhuman, Ausst.-Kat. Museum Fridericianum, Kassel, 29.9.2013-23.2.2014, et al., London 2018.
• Schneemann, Peter J. «Eco-Action: Materialities and Territories as Mediators of Contemporary Landscapes» In: Proceedings of the 34th World Congress of Art History (CIHA), Beijing 2016. Vol. 2, 2019, 1147-1152.
• Wagner, Monika. Das Material der Kunst.Eine andere Geschichte der Moderne. München 2012.
• Witzgall, Susanne, Stakemeier, Kerstin. Macht des Materials - Politik der Materialialität. Zürich 2014. |