Description |
Die Menschen im Mittelalter waren viel beweglicher und reisefreudiger als wir es uns vorstellen wollen und können, und dies trotz prekärer Verkehrswege: kein Zug, keine Autobahn, kein Auto, kein Flugzeug. Stattdessen unzuverlässige Wasserwege, ungesicherte Feldstrassen, gefährliche Bergpässe, schlechtes Schuhwerk, Piraterie und Raubritter. Kaiser und Könige regierten vom Sattel aus, Geistlichen, Studenten, Pilgernden und Kaufleuten standen unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung, sich zwischen den Institutionen, etwa Klöstern und Universitäten, aber auch Handelsniederlassungen zu bewegen. Eroberer gelüstete es in der Regel nach fremden Gebieten, zu denen sie mitsamt ihren Heerschaaren zogen; die sogenannten Kreuzritter fielen im Namen der Kirche in Jerusalem ein. Aber auch ‘Normalsterbliche’ unternahmen Reisen. Kriegswirren und Hungersnöte vertrieben ganze Bevölkerungsgruppen aus ihren angestammten Gebieten; Pilgerschaften in ferne Länder versprachen einen Beitrag zum Seelenheil zu leisten. Auch der Wunsch nach exotischen Gewürzen, Kuriositäten, Seidenstoffen und anderen, Luxuswaren sowie die Abenteuerlust von Händlern, Gelehrten und Missionaren zählten im Mittelalter zu den Motivationen für das Reisen.
Was das Reisen heute angeht, so übt das Mittelalter eine grosse Anziehungskraft aus. Mittelalterliche Städte und Bauten und zeitgenössische Reenactments mittelalterlicher Praktiken wie Turniere in Freilichtmuseen, gastronomische Angebote, die mittelalterliche Menüs auftischen oder Mittelaltermärkte, in denen man sich «wie im Mittelalter» fühlen soll (allerdings mit der Möglichkeit, alles mit der Kreditkarte zu bezahlen), sind heute beliebte Touristenattraktionen. Die Mittelalter-Faszination ist ungebrochen.
Wir fragen in diesem Semester nach Reiseformen, nach Infrastrukturen sowie nach den Motivationen mittelalterlichen Reisens. Wir wollen mehr über Reiseerlebnisse erfahren und Erfahrungen mit dem Fremden, mit Fernweh und Heimweh beleuchten. Welche Handels- und Pilgerrouten gab es? Welche Transportmittel bestanden? Welche Gefahren erwarteten Reisende? Was waren die Erträge aus der Handelstätigkeit? Wie konnte man sich in der Fremde verständigen? Und seit wann, wie und weshalb wird das «Mittelalter» durch den modernen Tourismus gestaltet und vermarktet?
Literatur
tba
Hinweis:
Am Donnerstag, 19. September 2024, findet nach der ersten Vorlesung, von 18 bis 19 Uhr, im Seminarraum 214 (Uni Hauptgebäude) eine obligatorische Vorbesprechung statt. In ihr werden u.a. die Termine der ihrerseits obligatorischen Nachbesprechungen mit Referierenden festgelegt (je nach deren Verfügbarkeit donnerstags nach den Vorlesungen oder am Freitagvormittag). |